Archiv der Kategorie: Teppichetage

Warum Inder elektrische Fensterheber brauchen

Eine nette Anekdote konnte am World Economic Forum in Davos der Chef des indischen Software-Riesen Wipro zum besten geben. Azim Premji erzählte von einem Fehlgriff eines grossen amerikanischen Autoherstellers – wohl GM. Der Konzern entwarf in Detroit ein Mittelklasse-Auto speziell für den indischen Subkontinent. Es musste billig sein, also sparte man wo man konnte. Unter anderem – dachten die US-Konstrukteure – sei es wohl kaum notwendig, auch die hinteren Fenster elektrisch öffnen und schliessen zu könnnen. Was die Amerikaner nicht wussten: Wer sich in Indien einen Mittelklassewagen leisten kann, hat auch einen Chauffeur, sitzt also selber im Fond. Ohne elektrische Fenterheber hinten verkauft sich ein solches Auto nicht. Die Fehlkonstruktion war ein Flop. Azim Premjis Moral von der Geschicht: Unterschätze einen Inder nicht. Oder etwas prosaischer: Wer Indien nicht kennt und dennoch den Alleingang wagt, bezahlt oft teures Lehrgeld.

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Ratlose Berater

Wer nichts wird, wird Wirt, hiess es früher. Heute ist es anders: Wer keinen Rat mehr weiss, wird Berater. So lässt sich aus der Not eine Tugend machen. Und Rat ist teuer, ob er gut ist oder nicht. Fast täglich machen sich Leute als Berater selbständig. Jüngstes Beispiel die alt Bundesrätin und Juristin Ruth Metzler, die Ende 2003 in der Landesregierung Platz für Christoph Blocher machen musste und sich seither in der Kommunikationsabteilung von Novartis tummelte. Letztes Jahr war sie auch als neue SRG-Generaldirektorin im Gerede. Daraus wurde nichts. Als Bundesrätin liess sich Metzler – wie alle andern Landesmütter und Landesväter – gerne und intensiv von Externen beraten. Jetzt plötzlich hat sie keinen Rat mehr nötig, im Gegenteil: Jetzt will die 46-Jährige andere beraten.

Es gibt also zwei Sorten von Menschen. Manche beraten, andere lassen sich beraten. Aber die Rollen können wechseln. Ehemalige Berater leiten mittlerweile einen Konzern, während ehemalige Manager heute Berater sind. Die ersten, die Konzernleiter, lassen sich nun von ehemaligen Beraterkollegen beraten, während die zweiten, die Berater, die Unternehmen ihrer ehemaligen Managerkollegen beraten. Ob damit alle gut beraten sind? Wie wäre es, wenn jeder sich selber beraten würde? Dann wäre guter Rat nicht so teuer. Aber eben: Es ist immer leichter, andern Ratschläge zu geben, statt solche selber zu befolgen.

Ich und… der Finanzjongleur Werner K. Rey

Wer erinnert sich noch an den ehemals bejubelten Financier und dann tief gefallenen Pleitier Werner K. Rey? Er war der erste Raider (=Plünderer) in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Er war das, was man heute eine Heuschrecke nennt. Er kaufte Firmen, reorganisierte, restrukturierte und filettierte sie, um sie wieder zu verkaufen – mit sattem Gewinn. Seinen ersten Coup landete er 1977 bei Bally. Der damals 34-Jährige kaufte die Schuhfabrik mit geliehenem Geld und verkaufte sie nach wenigen Monaten wieder – mit einem Gewinn von 50 Millionen Franken. In den 80er-Jahren trieb er es zu bunt. Den Banken gaukelte er immer öfter Geschäfte und Geldtransfers vor, um an neue Darlehen zu kommen. 1991 zerplatzte sein Milliarden-Imperium wie eine Seifenblase . Er setzte sich auf die Bahamas ab. Dort wurde er 1996 verhaftet (Bild) und an die Schweiz ausgeliefert, wo er vier Jahre Gefängnis kassierte.

Ich habe die Story aus nächster Nähe mitverfolgt. Ich war auf den Bahamas, habe dort mit Reys Frau gesprochen, das Gefängnis besucht und den Prozessen beigewohnt. Auch später, bei seiner Entlassung aus dem Berner Regionalgefängnis, war ich zur Stelle. Dann zog Rey nach Schottland, in die Nähe von Glasgow, die Heimat seiner Frau. Dort konnte ich ihn nach zähen Verhandlungen besuchen – für eine Reportage. Ich musste versprechen, dass ich niemandem verraten würde, wo er wohnte. Wir blieben in Kontakt. So brachte ich ihn im November 2002 zur Überraschung meiner Journalisten-Kollegen eines Tages auf die Redaktion der Wochenzeitung Cash in Zürich (Bild) und schrieb über seine neuen Geschäfte. Aber er hat das Comeback nie geschafft. Inzwischen ist es um Werner K. Rey ruhig geworden. Er verbringt die meiste Zeit in London. Und er hält weiter an seiner Unschuld fest – und am Wunschtraum, der Welt irgendwann zu beweisen, dass er eben doch ein ganz guter Geschäftsmann ist.

Konrad Hummler’s getürktes Steuerrezept

Der Wegelin-Bankier Konrad Hummler ist bekanntlich kein Freund einer hohen Staatsquote. Dennoch warf er kürzlich beim Thema Steuern mit sichtlichem Vergnügen eine interessante Idee in die Runde: „Die alten Türken kannten nur die Erbschaftssteuer, aber null Einkommens- und Vermögenssteuern.“ Die türkische Lösung war einfach aber krass, denn die Erbschaftssteuer betrug volle 100 Prozent. Das findet der erfolgreiche Privatbankier insofern toll, weil die Jungen – so wie einst auch er selber – gezwungen waren, bei Null anzufangen, und nicht der Versuchung unterliegen konnten, sich auf den Lorbeeren von Papa auszuruhen und das geerbte Geld zu verprassen. Auch Hummlers Kinder werden nicht ganz so viel erben, wie sie ohne Papas Liebe zum Komponisten Johann Sebastian Bach könnten. Hummler gibt 30 Millionen Franken aus, um das ganze Vokalwerk des Altmeisters aufführen und professionell aufzeichnen zu lassen.

Bleibt noch die Frage, ob der Wegelin-Bankier das Steuermodell der alten Türken künftig auch in der Schweiz sehen würde. Hummler bleibt sich treu und antwortet, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern: „Sie wissen ja: Ich bin generell gegen Steuern.“

Gefunden: DAS Spielzeug für die Chefetage

Immer öfter begegne ich Kaderleuten, die eines gemeinsam haben: Im Büro steht ein Modell-Helikopter. Nach einer kleinen Recherche bin ich zur Ansicht gelangt, dass diese Spielzeuge mehr sind als nur Spielzeuge. Sie haben einen therapeutischen Nutzen. Greift der gestresste Manager nämlich zur Fernbedienung mit den multifunktionalen Sticks und versucht, das fliegende Plastikobjekt rund um den Schreibtisch zu steuern oder schon nur auf einem Meter über dem Fussboden unter Kontrolle zu halten, erlebt er sein blaues Wunder. Das Ding tut einfach nicht, was er möchte. Die Navigation braucht Übung und Fingerspitzengefühl, vor allem aber volle Konzentration. Daher wird der Manager von seinem ganzen Stress abgelenkt und fokussiert auf die Fliegerei. Zehn Minuten reichen aus, dann hat er den Kopf wieder frei und kann den Fokus auf eine andere Aufgabe richten. Übrigens: Die Dinger sind nicht nur bei grossen Buben beliebt. Auch Frauen auf dem Chefsessel nutzen und schätzen sie.

Aber das Beste hätte ich fast vergessen: Modell-Helikopter sind billig, es gibt sie schon ab 70 Franken, und sie sind hart im Nehmen – die Therapie ist also äusserst kostengünstig. Der Nachteil: Die Batterien sind relativ schnell leer, aber man kann sie ja wieder aufladen. So gesehen hat das Spielzeug ähnliche Eigenschaftgen wie der Manager selber, ausser natürlich den Preis. Ob es in den Teppichetagen deshalb so beliebt ist?

„Tempora mutantur nos et mutamur in illis“

„Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.“ Ich weiss nicht, wie gut der ehemalige UBS-Manager Peter Kurer früher in Latein war und ob er diesen Hexameter-Vers aus dem alten Rom kennt, aber neues Leben eingehaucht hat er ihm allemal. Der Mann hat sein Äusseres in den letzten zwei Jahren chamäleonartig verändert – parallel zu den Veränderungen bei der UBS. Mit dicker Hornbrille wurde der damalige Chefjurist nach dem Abgang von Marcel Ospel zum Präsidenten der Grossbank. Das war, ohne Witz, am 1. April 2008. „Honi soit qui mal y pense“ hätten die alten Franzosen gesagt. „Es soll sich schämen, wer dabei etwas Schlechtes denkt.“

Nach nur drei Monaten sah Kurer wie verwandelt aus. Er hatte abgespeckt und trug eine neue Brille. In einem Interview Mitte 2008 sagte er mir: „Ich hatte in der Krise Gewicht zugelegt, weil ich in den sechzehn Stunden, die ich pro Tag im Büro verbrachte, zu viel Schokolade ass. Diese Kilo mussten wieder weg. Ansonsten sehen sie meinen Sommerhaarschnitt und die neue Brille, die im Unterschied zur alten Hornbrille keine Schlagschatten wirft, wenn mir die Fotografen ins Gesicht blitzen.“

Das Gastspiel war von kurzer Dauer. Wer also am 1. April 2008 etwas Schlechtes gedacht hatte, bekam recht. Schon vor dem 1. April 2009 stand fest, dass Kurer seinen Posten bei der UBS räumen musste. Dann tauchte er ab. Wahrscheinlich – hoffentlich – schämte sich für den Schlamassel, für den er mitverantwortlich war, und für die Millionen, die er dabei abkassierte. Erst kürzlich tauchte er wieder in der Öffentlichkeit auf – zwar mit der gleichen Brille, aber dafür mit Bart. Was er ganz sicher nicht sagte: „Das mit der UBS ist mir einfach über den Kopf gewachsen. Der Bart symbolisiert nun das Gras, das ich über die Affäre wachsen lassen möchte.“

Die Weltbloche lädt zur Schlachtplatte

Das waren noch Zeiten, als sich SVP-Oberlehrer Christoph Blocher persönlich um die Perfektionierung der Weltwoche kümmerte, als er an der Redaktionssitzung erschien und – flankiert von Zauberlehrling Roger Köppel – vor der versammelten Crew eine Blattkritik zelebrierte (für Nicht-Journalisten: er gab seinen Senf zur neusten Weltwoche). Selbst als er im Bundesrat sass, liess er es sich nicht nehmen, in der rechten Schreibwerkstatt aufzutauchen. Der Chefredaktor fühlte sich gebauchpinselt, während Blocher blätterte und blätterte, lobte, mahnte, tadelte und ermunterte.

Der Höhepunkt aber, so wird es überliefert, war jeweils das gemeinsame Mittagsessen. Zu Fuss gings in ein nahe gelegenes Lokal. Blocher sass in der Mitte, schaute sich die Speisekarte an und entdeckte – die Schlachtplatte. Alles rundherum wartete gespannt, was ER wohl bestellen würde. „Ich nehme die Schlachtplatte“, sagte dieser ohne Zögern. Dann war Köppel an der Reihe: „Ich nehme auch die Schlachtplatte.“ Und so ging es weiter, Schlachtplatte hier, Schlachtplatte dort – schlechte Platitüden fast überall. Wehe dem, der mit Cevapcici oder Shish Kebab liebäugelte. Ihm drohte der mitleidig-verachtende Blick des kleinen Zampano. Immerhin, damit konnte man leben. Heute würde ja bald schon die Ausschaffung drohen.

Ein Abzocker ist ein Abzocker ist ein …

Abzocker-Jäger Thomas Minder, der Vater der „Abzocker-Initiative “ und Trybol-Fabrikant in Neuhausen, hat den ehemaligen Chef von OC Oerlikon Thomas Limberger aufgeschreckt, indem er ihn wiederholt „Abzocker“ nannte. Limberger hatte mehrere Millionen Salär eingesackt, während OC Oerlikon kurz darauf finanziell am Abgrund stand. Inzwischen ist Limberger Chef bei Von Roll, wo er letztes Jahr „nur“ noch 2,5 Millionen kassierte, während er im Unternehmen 11 Millionen Verlust machte und 500 Stellen strich.

Wann darf man einen Abzocker öffentlich einen Abzocker nennen, statt nur einen unverschämten Grossverdiener? Das ist die Frage, die jetzt ein Richter beantworten muss. Denn Limberger hat gegen Minder geklagt – wegen Rufschädigung und Persönlichkeitsverletzung. Nun heisst es Thomas gegen Thomas. Bloss: Zur ersten Verhandlungsrunde ist Limberger gar nicht erst erschienen. Minder vermutet, sein Kontrahent scheue die öffentliche Auseinandersetzung. Und bezeichnet ihn seelenruhig weiterhin als Abzocker.

PS: Aus dem Wörterbuch:  „ạb•zo•cken (hat) [Vt] jemanden abzocken gespr; beim Kartenspiel od. bei einem Geschäft viel Geld von jemandem gewinnen.“ Oder an anderer Stelle: „Der Begriff Abzocke ist ein umgangssprachlicher Begriff für Übervorteilung.“ Oder auch: „Steht die bezogene Dienstleistung in keinem Verhältnis zum dafür gezahlten Preis und wurde vorher auch nicht angemessen auf die Kosten hingewiesen (Übervorteilung des Anbieters), entsteht der Vorwurf der Abzocke.“ Na also, jetzt kann doch der Richter Tacheles reden – mit den Abzockern.