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Erbarmungslose Meute von (Schweizer) Journalisten

Meute_20141014_133306_neuDer ex UBS-Manager Raoul Weil steht in Fort Lauderdale (Florida) vor Gericht. Anklage: Beihilfe zum Steuerbetrug im grossen Stil. Es drohen ihm fünf Jahre Gefängnis. Zum Prozessauftakt sind heute diverse Schweizer Medien angereist, und – ach ja, zugegeben, ich bin einer von ihnen. Neben dem Geschehen im Gericht interessiert vor allem eines: Schnappschüsse des Angeklagten. Weil im Gerichtssaal und auf dem Areal Kameras verboten sind, warten Fotografen, Kameraleute und Journalisten (mit Handy bewaffnet) mehr oder weniger geduldig auf dem Trottoir an der Strassenecke.

Ampel_20141014_133404_neuIn der Mittagspause ist es endlich soweit. Wie die Hyänen lungern die Medienleute herum, schalten jetzt die Geräte ein, zielen und – drücken ab. Raoul Weil und seine Frau Susanne ertragen den Spiessrutenlauf mit Fassung. Sie halten Händchen und versuchen permanent zu lächeln. Sie wollen – begleitet von Anwälten – über die Strasse, vergessen aber, den Knopf an der Ampel zu drücken. So bleibt es ewig rot, und die Kameras kommen rege zum Einsatz. Endlich grün! Aber die Meute verfolgt die Beute über die Strasse und noch weiter. Dann lässt sie sie plötzlich ziehen, irgendwie scheint eine Beisshemmung zu greifen, je weiter sich das Paar vom Gerichtsgebäude entfernt. Ein erbärmliches Schauspiel eigentlich. Und ich frage mich: Braucht das die Schweizer Öffentlichkeit wirklich? Oder ist es blosse Selbstbefriedigung der Journalisten?

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„Tempora mutantur nos et mutamur in illis“

„Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.“ Ich weiss nicht, wie gut der ehemalige UBS-Manager Peter Kurer früher in Latein war und ob er diesen Hexameter-Vers aus dem alten Rom kennt, aber neues Leben eingehaucht hat er ihm allemal. Der Mann hat sein Äusseres in den letzten zwei Jahren chamäleonartig verändert – parallel zu den Veränderungen bei der UBS. Mit dicker Hornbrille wurde der damalige Chefjurist nach dem Abgang von Marcel Ospel zum Präsidenten der Grossbank. Das war, ohne Witz, am 1. April 2008. „Honi soit qui mal y pense“ hätten die alten Franzosen gesagt. „Es soll sich schämen, wer dabei etwas Schlechtes denkt.“

Nach nur drei Monaten sah Kurer wie verwandelt aus. Er hatte abgespeckt und trug eine neue Brille. In einem Interview Mitte 2008 sagte er mir: „Ich hatte in der Krise Gewicht zugelegt, weil ich in den sechzehn Stunden, die ich pro Tag im Büro verbrachte, zu viel Schokolade ass. Diese Kilo mussten wieder weg. Ansonsten sehen sie meinen Sommerhaarschnitt und die neue Brille, die im Unterschied zur alten Hornbrille keine Schlagschatten wirft, wenn mir die Fotografen ins Gesicht blitzen.“

Das Gastspiel war von kurzer Dauer. Wer also am 1. April 2008 etwas Schlechtes gedacht hatte, bekam recht. Schon vor dem 1. April 2009 stand fest, dass Kurer seinen Posten bei der UBS räumen musste. Dann tauchte er ab. Wahrscheinlich – hoffentlich – schämte sich für den Schlamassel, für den er mitverantwortlich war, und für die Millionen, die er dabei abkassierte. Erst kürzlich tauchte er wieder in der Öffentlichkeit auf – zwar mit der gleichen Brille, aber dafür mit Bart. Was er ganz sicher nicht sagte: „Das mit der UBS ist mir einfach über den Kopf gewachsen. Der Bart symbolisiert nun das Gras, das ich über die Affäre wachsen lassen möchte.“