Archiv der Kategorie: P.S.

Увидимся в Катар!

Ich verstehe nichts von Sport, auch nicht von Fussball. Es interessiert mich nicht. Und ich halte nicht besonders viel von Fifa-Boss Sepp Blatter. Dafür interessiere ich mich umso mehr für Politik und Globalisierung. Davon verstehe ich etwas. Wenn uns nun ein paar dumbe Sportjournalisten weis machen wollen, dass die Wahl der Austragungsorte für die Fussball-WM 2018 (Russland) und 2022 (Katar) unglücklich, ungerecht, ja „grobfahrlässig“ sei, dann muss ich widersprechen. Auch die Fussball-Gemeinde sollte zur Kenntnis nehmen, dass sich die Gewichte auf dieser Welt verschieben – und zwar in Richtung Osten. Die „Alte Welt“ verliert ihre Vorherrschaft. Das ist in der Politik so, in der Wirtschaft, und – warum auch nicht? – im Sport. Andere WM-Kandidaturen wie England oder die USA hatten die Spiele schon mal im Land. Nun sind andere am Zug. Und so, wie ich Russland und Katar einschätze, wird ihnen kein Aufwand zu gross sein, um der Welt zu zeigen, wie perfekt und glamurös sie einen solchen Anlass organisieren können. Was wollen wir mehr? Eine kleine Einschränkung muss ich allerdings machen: Ich setze voraus, dass die viel geschmähten Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees nicht geschmiert wurden bei dieser Wahl, dass also Russland und Katar die Spiele ohne Bestechungsgelder erhielten. Sonst müsste ich natürlich über die Bücher.

PS: „Увидимся в Катар“ ist russisch für „see you in Katar“

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Abgestimmt auf das falsche Herz der Schweiz

Der innerschweizer Kanton Schwyz hat abgestimmt. Und wie! In keinem andern Kanton ist die SVP-Ausschaffungsinitiative so deutlich angenommen und die SP-Steuergerechtigkeitsinitiative so deutlich  abgelehnt worden. Das Abstimmungsergebnis bringt auf den Punkt, was das Steuerparadies im Herzen der Schweiz will – und was nicht: Reiche sind willkommen, auch kriminelle Schweizer dürfen bleiben, aber keinesfalls Ausländer, die etwas ausgefressen haben. Das Tragische aber ist, dass die ganze Schweiz mehrheitlich wie der Kanton Schwyz abgestimmt hat. Es ist der Wunschtraum, selber dazu zu gehören. Es ist ein unglaublicher Akt der Solidarität mit den Einheimischen und Wohlhabenden, eine Absegnung der Verteilung von unten nach oben durchs Volk, ein demokratischer Entscheid, der gegen die eigenen Interessen der Mehrheit gerichtet ist. Ich wäre nicht überrascht, wenn sich in Schwyz bald separatistisches Gedankengut breit machen würde. Eine kleine, unabhängige, heile Schweizschweiz im Herzen der grossen, realen Schweiz, ein Paradies für Rosinenpicker, die das nötige Kleingeld haben, um sich im Reichen-Ghetto eine Wohnung zu leisten. Dann müssten die armen Schwyzer auch nicht mehr alljährlich den lästigen Obulus in den Steuerausgleich entrichten. Und nach Zürich in die Oper oder ins Kaufleuten zum Dinieren könnte man ja nach wie vor.

Konrad Hummler’s getürktes Steuerrezept

Der Wegelin-Bankier Konrad Hummler ist bekanntlich kein Freund einer hohen Staatsquote. Dennoch warf er kürzlich beim Thema Steuern mit sichtlichem Vergnügen eine interessante Idee in die Runde: „Die alten Türken kannten nur die Erbschaftssteuer, aber null Einkommens- und Vermögenssteuern.“ Die türkische Lösung war einfach aber krass, denn die Erbschaftssteuer betrug volle 100 Prozent. Das findet der erfolgreiche Privatbankier insofern toll, weil die Jungen – so wie einst auch er selber – gezwungen waren, bei Null anzufangen, und nicht der Versuchung unterliegen konnten, sich auf den Lorbeeren von Papa auszuruhen und das geerbte Geld zu verprassen. Auch Hummlers Kinder werden nicht ganz so viel erben, wie sie ohne Papas Liebe zum Komponisten Johann Sebastian Bach könnten. Hummler gibt 30 Millionen Franken aus, um das ganze Vokalwerk des Altmeisters aufführen und professionell aufzeichnen zu lassen.

Bleibt noch die Frage, ob der Wegelin-Bankier das Steuermodell der alten Türken künftig auch in der Schweiz sehen würde. Hummler bleibt sich treu und antwortet, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern: „Sie wissen ja: Ich bin generell gegen Steuern.“

Die Weltbloche lädt zur Schlachtplatte

Das waren noch Zeiten, als sich SVP-Oberlehrer Christoph Blocher persönlich um die Perfektionierung der Weltwoche kümmerte, als er an der Redaktionssitzung erschien und – flankiert von Zauberlehrling Roger Köppel – vor der versammelten Crew eine Blattkritik zelebrierte (für Nicht-Journalisten: er gab seinen Senf zur neusten Weltwoche). Selbst als er im Bundesrat sass, liess er es sich nicht nehmen, in der rechten Schreibwerkstatt aufzutauchen. Der Chefredaktor fühlte sich gebauchpinselt, während Blocher blätterte und blätterte, lobte, mahnte, tadelte und ermunterte.

Der Höhepunkt aber, so wird es überliefert, war jeweils das gemeinsame Mittagsessen. Zu Fuss gings in ein nahe gelegenes Lokal. Blocher sass in der Mitte, schaute sich die Speisekarte an und entdeckte – die Schlachtplatte. Alles rundherum wartete gespannt, was ER wohl bestellen würde. „Ich nehme die Schlachtplatte“, sagte dieser ohne Zögern. Dann war Köppel an der Reihe: „Ich nehme auch die Schlachtplatte.“ Und so ging es weiter, Schlachtplatte hier, Schlachtplatte dort – schlechte Platitüden fast überall. Wehe dem, der mit Cevapcici oder Shish Kebab liebäugelte. Ihm drohte der mitleidig-verachtende Blick des kleinen Zampano. Immerhin, damit konnte man leben. Heute würde ja bald schon die Ausschaffung drohen.

Schwarz auf der Baustelle

Da bin ich wieder. Zurück von einer Baustelle. Neben dem Bloggen muss ich ja schliesslich auch arbeiten. Und in den vergangenen zwei Wochen hat mich die Arbeit eben auf Baustellen geführt, Baustellen, auf denen viel zu oft schwarz oder zu ungesetzlich tiefen Löhnen gearbeitet wird. Genauer gesagt: Auf jeder zweiten Baustelle ist etwas faul.  Daraus entstand ein Report für meine Zeitung.

Unter anderem war ich im Baselbiet mit FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin (links im Bild) und Baustellen-Kontrolleur Michel Rohrer (rechts) einen Tag lang unterwegs, um nach schwarzen Schafen Ausschau zu halten. Ich will ja nicht schwarzmalen, aber was ich in diesen zwei Wochen alles herausgefunden habe, ist nicht sehr erbaulich. Vor allem Maler und Gipser malen schwarz – ähm – arbeiten schwarz. – Ich nicht. Bei der Zeitung bin ich legal angestellt, und für den Blog werde ich von niemandem bezahlt, noch nicht 🙂

Unsinnige Kommerzgrüsse zum Geburtstag

Kürzlich hatte ich Geburtstag und freute mich wie immer über die guten Wünsche aus dem Freundeskreis. Nun erhalte ich aber jährlich mehr und mehr Gratulationen von wildfremden Menschen, die mir im Auftrag eines Unternehmens schreiben (müssen): Da waren unter anderem ein SMS von meinem Handy-Provider Sunrise, eine Email eines Hotels in Luzern, ein Brief des Spielcasinos Pfäffikon und eine Email von meinem Vielfliegerprogramm Miles & More.

Immerhin: Das Spielcasino schickte mir einen Gutschein für Jetons im Wert von 25 Franken. Und von Miles & More erhielt ich 3000 Meilen geschenkt – zum Einlösen im Swiss-Online-Shop. Aber was gibts dafür? Eigentlich gar nichts! So bestätigt sich auch hier der Verdacht, dass letztlich schnöde kommerzielle Interessen hinter den sülzigen Grüssen stecken. Den Vogel abgeschossen hat aber das (angebliche 5-Sterne-Hotel) Ferienart Resort & Spa in Saas Fee, wo ich einmal als geladener Gast meines Autohändlers ein Wochenende verbrachte. Das Zimmer war miserabel, und ich hatte mich auch entsprechend beklagt. Nun schickt mir diese Luxusherberge, bei der leider nur der Preis Luxus ist, Jahr für Jahr eine – von Hand geschriebene! – Ansichtkarte. Mein Tipp: Steckt doch die Zeit, die Energie und das Geld lieber in die Renovation der Gästezimmer.

Starke Männer brauchen keine Krawatte

Immer häufiger zeigen sich Promis, namentlich ältere Herren, öffentlich ohne Krawatte. In den USA – vor allem an der Westküste und im Silicon Valley – ist dies schon lange üblich. So gehen die Milliarden schweren Väter von Apple (Mac) Microsoft (PC), Steve Jobs und Bill Gates, auch schon mal „oben ohne“ an ein Gala-Dinner (Bild). Langsam aber lockern sich die Krawattenknöpfe auch in Europa: Nestlé-Lenker Peter Brabeck, Andermatt-Schöpfer Samih Sawiris, Fiat-Chef Sergio Marchionne – sie alle pfeifen immer öfter auf das unbequeme Lätzchen. Und die Schweizer? Auch hier sind zögerliche Anfänge einer Emanzipation zu beobachten, beispielsweise bei Phonak-Gründer Andy Rihs oder Formel-1-Rennstallbesitzer Peter Sauber.

Sind sie altersmüde und denken, es käme ja sowieso nicht mehr drauf an? Weit gefehlt! Sie haben es ganz einfach nicht mehr nötig, der Welt vorzuspielen, dass sie bedeutend sind – denn sie sind es tatsächlich. Und sie liegen zudem voll im Trend. Wie lange mag es also noch dauern, bis sich Bundesräte nicht mehr auf den Schlips treten lassen, beziehungsweise auf einen solchen verzichten, und dies nicht nur auf der alljährlichen „Schulreise“? Oder haben sie dieses komplizierte und eigentlich lächerliche Accessoire am Ende immer noch nötig, damit sie in der Verwaltung respektiert werden?

Syngenta ohne Tomaten auf den Augen

Mike Mack, der Chef des weltgrössten Agrokonzerns Syngenta, kennt sich nicht nur mit Pflanzensamen und Pestiziden aus. Mittlerweile seit Jahren in der Schweiz, hat der Amerikaner beobachtet, dass die Konsumenten hierzulande auf Bio stehen und genmutiertes Gemüse fürchten und daher meiden. Er kann das nicht verstehen, gerade weil er sich ökologische Gedanken macht. „Wenn alle organic (also bio) essen möchten, bräuchten wir ein vielfaches an Ackerland“, sagte er kürzlich bei einem Lunch am Syngenta-Hauptsitz in Basel. Er habe in Holland selber gesehen, auf welch engem Raum Tomaten im Treibhaus angebaut würden. „Natürlich ist es schön, wenn man die Tomaten im eigenen Backyard kultivieren kann“, sagt er. „Aber wenn jeder den Hinterhof zum Gemüsegarten machen würde, wäre der Footprint der Menschheit noch grösser als heute schon.“ Wo Big Mack recht hat, hat er recht.