Archiv der Kategorie: Zocker und Abzocker

„Tempora mutantur nos et mutamur in illis“

„Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen.“ Ich weiss nicht, wie gut der ehemalige UBS-Manager Peter Kurer früher in Latein war und ob er diesen Hexameter-Vers aus dem alten Rom kennt, aber neues Leben eingehaucht hat er ihm allemal. Der Mann hat sein Äusseres in den letzten zwei Jahren chamäleonartig verändert – parallel zu den Veränderungen bei der UBS. Mit dicker Hornbrille wurde der damalige Chefjurist nach dem Abgang von Marcel Ospel zum Präsidenten der Grossbank. Das war, ohne Witz, am 1. April 2008. „Honi soit qui mal y pense“ hätten die alten Franzosen gesagt. „Es soll sich schämen, wer dabei etwas Schlechtes denkt.“

Nach nur drei Monaten sah Kurer wie verwandelt aus. Er hatte abgespeckt und trug eine neue Brille. In einem Interview Mitte 2008 sagte er mir: „Ich hatte in der Krise Gewicht zugelegt, weil ich in den sechzehn Stunden, die ich pro Tag im Büro verbrachte, zu viel Schokolade ass. Diese Kilo mussten wieder weg. Ansonsten sehen sie meinen Sommerhaarschnitt und die neue Brille, die im Unterschied zur alten Hornbrille keine Schlagschatten wirft, wenn mir die Fotografen ins Gesicht blitzen.“

Das Gastspiel war von kurzer Dauer. Wer also am 1. April 2008 etwas Schlechtes gedacht hatte, bekam recht. Schon vor dem 1. April 2009 stand fest, dass Kurer seinen Posten bei der UBS räumen musste. Dann tauchte er ab. Wahrscheinlich – hoffentlich – schämte sich für den Schlamassel, für den er mitverantwortlich war, und für die Millionen, die er dabei abkassierte. Erst kürzlich tauchte er wieder in der Öffentlichkeit auf – zwar mit der gleichen Brille, aber dafür mit Bart. Was er ganz sicher nicht sagte: „Das mit der UBS ist mir einfach über den Kopf gewachsen. Der Bart symbolisiert nun das Gras, das ich über die Affäre wachsen lassen möchte.“

Werbung

Schwarz auf der Baustelle

Da bin ich wieder. Zurück von einer Baustelle. Neben dem Bloggen muss ich ja schliesslich auch arbeiten. Und in den vergangenen zwei Wochen hat mich die Arbeit eben auf Baustellen geführt, Baustellen, auf denen viel zu oft schwarz oder zu ungesetzlich tiefen Löhnen gearbeitet wird. Genauer gesagt: Auf jeder zweiten Baustelle ist etwas faul.  Daraus entstand ein Report für meine Zeitung.

Unter anderem war ich im Baselbiet mit FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin (links im Bild) und Baustellen-Kontrolleur Michel Rohrer (rechts) einen Tag lang unterwegs, um nach schwarzen Schafen Ausschau zu halten. Ich will ja nicht schwarzmalen, aber was ich in diesen zwei Wochen alles herausgefunden habe, ist nicht sehr erbaulich. Vor allem Maler und Gipser malen schwarz – ähm – arbeiten schwarz. – Ich nicht. Bei der Zeitung bin ich legal angestellt, und für den Blog werde ich von niemandem bezahlt, noch nicht 🙂

Ein Abzocker ist ein Abzocker ist ein …

Abzocker-Jäger Thomas Minder, der Vater der „Abzocker-Initiative “ und Trybol-Fabrikant in Neuhausen, hat den ehemaligen Chef von OC Oerlikon Thomas Limberger aufgeschreckt, indem er ihn wiederholt „Abzocker“ nannte. Limberger hatte mehrere Millionen Salär eingesackt, während OC Oerlikon kurz darauf finanziell am Abgrund stand. Inzwischen ist Limberger Chef bei Von Roll, wo er letztes Jahr „nur“ noch 2,5 Millionen kassierte, während er im Unternehmen 11 Millionen Verlust machte und 500 Stellen strich.

Wann darf man einen Abzocker öffentlich einen Abzocker nennen, statt nur einen unverschämten Grossverdiener? Das ist die Frage, die jetzt ein Richter beantworten muss. Denn Limberger hat gegen Minder geklagt – wegen Rufschädigung und Persönlichkeitsverletzung. Nun heisst es Thomas gegen Thomas. Bloss: Zur ersten Verhandlungsrunde ist Limberger gar nicht erst erschienen. Minder vermutet, sein Kontrahent scheue die öffentliche Auseinandersetzung. Und bezeichnet ihn seelenruhig weiterhin als Abzocker.

PS: Aus dem Wörterbuch:  „ạb•zo•cken (hat) [Vt] jemanden abzocken gespr; beim Kartenspiel od. bei einem Geschäft viel Geld von jemandem gewinnen.“ Oder an anderer Stelle: „Der Begriff Abzocke ist ein umgangssprachlicher Begriff für Übervorteilung.“ Oder auch: „Steht die bezogene Dienstleistung in keinem Verhältnis zum dafür gezahlten Preis und wurde vorher auch nicht angemessen auf die Kosten hingewiesen (Übervorteilung des Anbieters), entsteht der Vorwurf der Abzocke.“ Na also, jetzt kann doch der Richter Tacheles reden – mit den Abzockern.

Raubtier-Kapitalismus

„Der Fidel, mein Freund“, liess der UNO-Berater und frühere Genfer SP-Nationalrat Jean Ziegler im Gespräch oft und gern einfliessen, um seine weltweite Vernetztheit zu unterstreichen – inklusive mit Castros Kuba. In seinem neusten Buch „Der Hass auf den Westen“ geisselt der linke Soziologe einmal mehr in eloquenter und rhetorisch wie inhaltlich beeindruckender Weise die westliche Welt als Urheberin allen Übels in den Ländern des Südens und überhaupt in der Dritten Welt. Während er früher regelmässig die gierigen Banker ins Visier nahm und sie des Casino-Kapitalismus bezichtigte, beschreibt er nun den Raubtier-Kapitalismus Europas der vergangenen 500 Jahre.

Und er warnt vor der Zukunft: Das „verwundete Gedächtnis“ des Südens an die Demütigungen in Jahrhunderten des Sklavenhandels und der Kolonialisierung sei wiedererwacht. Daher auch der Untertitel: „Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren.“ Sein Buch ist somit nicht nur ein „Look back in Anger“ (Schauspiel des britischen Dramatikers John Osborne von 1956), sondern auch – und viel mehr – ein „Blick nach vorn im Zorn“. Und ein Happy-End ist – anders als in Osbornes Stück – nicht zu erwarten. Brilliant. Sogar die NZZ räumt ein, dass trotz „Weltretter-Pathos, Schwarzweiss-Malerlei und knalligem Stil bis zur Ungenauigkeit“ nur wenige behaupten würden, Ziegler habe im Grundsatz nicht oftmals recht.

Junge Feigenblätter bedrohen die Armee

Da regen sich Politiker und Bürger auf, dass die Berater von Boston Consulting dem armen VBS-Chef Ueli Maurer für einen Einsatz von zwei Monaten sage und schreibe 1,3 Millionen Franken abknöpfen. Dabei ist dies der übliche Tarif, zu dem jeder grosse Schweizer Konzern jahrein jahraus Unternehmensberater wie McKinsey, Deloitte, PricewaterhouseCoopers oder eben Boston Consulting im Haus hat. Und oft als Feigenblatt benutzt, um die eigene Feigheit zu kaschieren. Aber oft geht vergessen, dass so ein Team aus jungen, unbelasteten, motivierten (weil karrieregeilen) HSG-Absolventen besteht, die vor nichts zurückschrecken. Sie kennen keine Berührungsängste, wenn es ums Sparen geht – denn dafür werden sie bezahlt.

Also lassen wir die Jungs doch mal werkeln. Wer weiss, vielleicht kommen sie zum Schluss, dass die beste Sparübung die Abschaffung der Armee wäre. Dann wären die 1,3 Millionen Franken weiss Gott ein Klacks! Und politisch müsste niemand die Verantwortung übernehmen – die Berater habens ja empfohlen.