Archiv der Kategorie: Aus dem Fotoarchiv

Viktor Giacobbo: Alles Mike Müller oder was?

Er steht seit über 30 Jahren auf der Bühne, parodierend, persiflierend und posierend: Viktor Giacobbo. 1981 bin ich dem Multitalent erstmals begegnet. Angefangen hat Vik als nebenamtlicher Conférancier und Polit-Kabarettist in der linken Winterthurer Szene. Die Brötchen verdiente der Satiriker mit der spitzen Zunge damals schon beim Schweizer Fernsehen – als Dokumentalist, als Zulieferer also. Der gelernte Schriftsetzer suchte im Archiv nach Material, das die Fernsehmacher bestellt hatten oder gut gebrauchen konnten. Heute ist Giacobbo selber der grosse Zampano.

Damals, 1981, tingelte Giacobbo mit seiner Klamauk-Truppe namens Stuzzicadenti durch die Schweiz. Die „Zahnstocher“ gastierten auch in Solothurn, Langenthal und Bern. Dort lernte ich sie kennen und schätzen. Ich begleitete sie, um eine Reportage für die Studentenzeitung zu schreiben. Vik war als Kopf und Texter der Stuzzi schon damals einsame Spitze – nur einfach viel, viel frecher als heute, und auch nicht immer so politisch korrekt. „Blaue Bohnen – heisse Lust“ hiess das Programm. Nichts und niemand war den Stuzzi heilig: Der Papst – damals war es Karol Wojtyla alias Johannes Paul II –  bekam sein Fett genau so ab wie die Politiker – damals, man glaubt es kaum, war es auch schon Christoph Blocher.

Ist Giacobbo heute besser als damals, oder hat er nachgelassen? Mit Sicherheit ist er braver geworden – gezwungenermassen. Ein katholischer Würdenträger namens „Karel Gott Wojtyla“, der seltsame sexuelle Neigungen öffentlich auslebt und dafür im Beichtstuhl die Gurtenpflicht einführt, würde am Schweizer Fernsehen wohl kaum toleriert. Aber Giacobbos Schalk blitzt auch heute immer wieder auf. Man kann ihn in seinen Augen erkennen, oder in seinem bisweilen fast diablischen Grinsen. Als ich ihn neulich im Kaufleuten bei der Aufzeichnung von Giacobbo/Müller wieder einmal live sah, begriff ich sein Erfolgsrezept: Er hat eine animalische Freude an seinem Job. Das ist es! Aber, lieber Vik, du musst aufpassen und darfst dich nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Mike Müller ist dir mit seinen eigenen Versen hart auf den Fersen.

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„Live from the White House“

Videoclip angeschaut? Okay, dann weiterlesen. Tja, das war vielleicht eine Überraschung! Wir waren beim US-Präsidenten Barack Obama, als uns vor dem Weissen Haus ein paar News-Reporter um Hilfe baten. Wir hatten nur zwei Minuten Zeit. Dann standen wir vor dem Tele-Prompter, und die Schrift begann zu laufen – für mich etwas gar schnell. Wir mussten berichten, dass Obama die Truppen in Afghanistan aufstockte, und weshalb. Aber wir schafften den 20-Sekunden-Text plus An- und Abmoderation auf Anhieb ohne Patzer.

Na ja, eigentlich war alles ein wenig anders. Den Samichlaus gibts ja auch nicht. Aber wer bis hierher gelesen hat, soll belohnt werden: Schon einmal vom Newseum in Washington gehört? Es wurde 2007 eröffnet und ist wirklich einen Besuch wert – auch für Nicht-Journalisten.

Ich und… der Finanzjongleur Werner K. Rey

Wer erinnert sich noch an den ehemals bejubelten Financier und dann tief gefallenen Pleitier Werner K. Rey? Er war der erste Raider (=Plünderer) in der Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Er war das, was man heute eine Heuschrecke nennt. Er kaufte Firmen, reorganisierte, restrukturierte und filettierte sie, um sie wieder zu verkaufen – mit sattem Gewinn. Seinen ersten Coup landete er 1977 bei Bally. Der damals 34-Jährige kaufte die Schuhfabrik mit geliehenem Geld und verkaufte sie nach wenigen Monaten wieder – mit einem Gewinn von 50 Millionen Franken. In den 80er-Jahren trieb er es zu bunt. Den Banken gaukelte er immer öfter Geschäfte und Geldtransfers vor, um an neue Darlehen zu kommen. 1991 zerplatzte sein Milliarden-Imperium wie eine Seifenblase . Er setzte sich auf die Bahamas ab. Dort wurde er 1996 verhaftet (Bild) und an die Schweiz ausgeliefert, wo er vier Jahre Gefängnis kassierte.

Ich habe die Story aus nächster Nähe mitverfolgt. Ich war auf den Bahamas, habe dort mit Reys Frau gesprochen, das Gefängnis besucht und den Prozessen beigewohnt. Auch später, bei seiner Entlassung aus dem Berner Regionalgefängnis, war ich zur Stelle. Dann zog Rey nach Schottland, in die Nähe von Glasgow, die Heimat seiner Frau. Dort konnte ich ihn nach zähen Verhandlungen besuchen – für eine Reportage. Ich musste versprechen, dass ich niemandem verraten würde, wo er wohnte. Wir blieben in Kontakt. So brachte ich ihn im November 2002 zur Überraschung meiner Journalisten-Kollegen eines Tages auf die Redaktion der Wochenzeitung Cash in Zürich (Bild) und schrieb über seine neuen Geschäfte. Aber er hat das Comeback nie geschafft. Inzwischen ist es um Werner K. Rey ruhig geworden. Er verbringt die meiste Zeit in London. Und er hält weiter an seiner Unschuld fest – und am Wunschtraum, der Welt irgendwann zu beweisen, dass er eben doch ein ganz guter Geschäftsmann ist.

Ich und… die Scheichs von Dubai (2)

Der Abend nimmt seinen Lauf. Die Männer sitzen an dem einen Tisch, die Frauen an dem andern. Gastgeber Abdul Rahman Al Jallaf, einer der mächtigsten Scheichs von Dubai, erzählt, dass er regelmässig in die Schweiz reist. Er verbringt mit seiner Familie in jedem Sommer mehrere Wochen in Montreux. „Das ist unsere Basis“, sagt er, „von dort aus reisen wir dann in ganz Europa herum.“ Nach einigem Hin und Her lässt mich der Scheich auch mit seiner Frau Hamda und den beiden Töchtern Amal und Nada reden, ohne dass er dabei ist. Es interessiert mich, was sie zu sagen haben. Sogar fotografieren darf ich sie nun.

Amal, die ältere der beiden Töchter, posiert stolz mit ihrem Vater. Ihm ist es etwas peinlich. Amal ist von der Schweiz begeistert. Sie erzählt, wie sich ihre ganze Familie jeweils im Flugzeug vor der Landung in Genf umzieht: Jeans und Turnschuhe statt Abaya, Kaftan und Kopftuch. „Montreux ist meine zweite Heimat“, sagt sie. Mit dem Mietauto hat sie beim letzten Besuch in wenigen Wochen 12000 Kilometer zurückgelegt: Paris, Mailand, Frankfurt. – Tja, Tochter oder Sohn eines Scheichs sollte man sein. Wenn ich höre, wie diese Leute in der Welt herumkommen, fühle ich mich gleich wieder wie ein erbärmlicher Stubenhocker.

Ich und… die Scheichs von Dubai (1)

Es war einmal ein junger Journalist. So ähnlich müsste ich zu erzählen beginnen, wenn ich in alten Fotos und Dokumenten krame und mich zurück erinnere. Aber ich nenne die neue Rubrik ganz einfach und unbescheiden „Ich und…“.

Da war doch diese Reise in die Emirate, nach Dubai und Abu Dhabi. Vom Flughafen ging es um 21 Uhr direkt in die Villa von Scheich Abdul Rahman Al Jallaf. Er ist der Kopf des wohl reichsten und einflussreichsten Clans von Dubai und gilt als enger Vertrauter des Emirs. Klar, dass an diesem Abend alles da ist, was Rang und Namen hat. Aber von Berührungsängsten mit uns Gästen keine Spur. Im Gegenteil: Der westliche Einfluss ist allgegenwärtig. Nur bei den Getränken macht er Halt. Auf der reich gedeckten Tafel gibt es zu Fleisch und Fisch weder Cola noch Alkohol, dafür dickflüssigen Minzensaft und Kamelmilch.

Zu meiner Linken sitzt Scheich Mohamed Al-Sharif Al-Hashemi. Er strahlt mit seinem breiten Lachen eine gemütliche Gelassenheit aus. In der Schweiz kennt er sich bestens aus. Er liebt das Land. Aber – so sagt er beim Thema Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit – „die Schweizer müssen aufpassen, dass sie uns auch künftig freundlich behandeln.“

Schwarz auf der Baustelle

Da bin ich wieder. Zurück von einer Baustelle. Neben dem Bloggen muss ich ja schliesslich auch arbeiten. Und in den vergangenen zwei Wochen hat mich die Arbeit eben auf Baustellen geführt, Baustellen, auf denen viel zu oft schwarz oder zu ungesetzlich tiefen Löhnen gearbeitet wird. Genauer gesagt: Auf jeder zweiten Baustelle ist etwas faul.  Daraus entstand ein Report für meine Zeitung.

Unter anderem war ich im Baselbiet mit FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin (links im Bild) und Baustellen-Kontrolleur Michel Rohrer (rechts) einen Tag lang unterwegs, um nach schwarzen Schafen Ausschau zu halten. Ich will ja nicht schwarzmalen, aber was ich in diesen zwei Wochen alles herausgefunden habe, ist nicht sehr erbaulich. Vor allem Maler und Gipser malen schwarz – ähm – arbeiten schwarz. – Ich nicht. Bei der Zeitung bin ich legal angestellt, und für den Blog werde ich von niemandem bezahlt, noch nicht 🙂

Leuthard an jeder Hundsverlochete

Noch ist sie Wirtschaftsministerin, und noch muss Doris Leuthard die mit dem Amt verbundenen Pflichten erfüllen. Dazu gehören offenbar auch Anlässe in kleineren und grösseren Firmen, als ob die Mitglieder des Bundesrats die Zeit nicht für Sinnvolleres nutzen könnten. So steht in Stäfa am Zürichsee demnächst die Einweihung eines Produktionsgebäudes des Hörgeräteherstellers Sonova (Phonak) auf dem Programm. Und im Dezember, also nach Leuthards Wechsel ins Verkehrs- und Energiedepartement, folgt die nächste Einweihung, diesmal bei der Biotechfirma Actelion in Allschwil bei Basel.

Wieviel spannender als so eine Hundsverlochete muss es sein, zum Beispiel nach Indien zu reisen und dort neue Eindrücke zu sammeln. Etwa in der Autofabrik Maruti Suzuki in Delhi (Bild), wo sich die Bundesrätin erklären liess, wie alle 21 Sekunden ein fixfertiges Auto vom Band rollt, fast eine Million pro Jahr. Ob sie solche Reisen nicht vermissen wird, wenn sie anstelle des abtretenden Kollegen Moritz Leuenberger ein paar neue Autobahnkilometer oder einen Strassentunnel eröffnen muss? Aber der Departementswechsel war ja ihr Entscheid. Damit muss sie leben.

Strenge Schönheit hinter Stacheldraht

Wieder einmal sorgt Nordkoreas Herrscher Kim Jong Il für negative Schlagzeilen. Diesmal ist es weder eine Provokation mit atomaren Waffen noch eine Aggression gegen Südkorea. Nein, der Diktator bereitet Funktionäre und Volk darauf vor, dass nach seinem Tod sein Sohn Kim Jong Un an die Macht kommt. Er setzt alles daran, das Zepter im Clan seiner Familie zu verankern.

Wie anders ist doch das Bild, das man als einer der wenigen Priviligierten, die ins Land dürfen, mit nach Hause nimmt. Ich war zweimal in Nordkorea – auf dem Landweg. Südkoreanische Journalisten hatten die Reisen organisiert, um für die Wiedervereinigung zu werben. Oh ja, ich wurde rigoros kontrolliert und sah Beängstigendes: Stacheldraht, schwer bewaffnete, nervöse Militärs und Staatsschützer in Zivil, die meine Fotos löschen wollten. Und natürlich die unermessliche Armut. Aber ich sah auch unglaublich schöne, unberührte Landschaften, und ich traf liebenswürdige Menschen. Zum Beispiel die Touristenführerin (Bild) am See Sam Il Po in der Region des Kumgang-Gebirges. Ihre Strenge und ihre Schönheit waren sinnbildlich für das Land. Leider konnte sie nur koreanisch, aber Mimik, Gestik und Tonfall sprachen Bände, so dass ich die Übersetzerin gar nicht so sehr brauchte. Ich traf auch Menschen, die perfekt Englisch konnten, wie man es fast nur in einem englischsprachigen Umfeld schaffen kann. Diese Menschen aber hatten noch nie in ihrem Leben das Land verlassen (dürfen). Sie haben die fremde Sprache in der Schule gelernt – mit unendlichem Fleiss und Ehrgeiz. Dafür habe ich sie bewundert.